Abenteuer auswandern nach Kanada
Das Kaunertal ist eine Region, die von den Einwohnern und ihren Lebenserfahrungen stark geprägt ist und viele Geschichten beherbergt. Eine der besonderen Lebenslinien handelt von Zenzl Stadlwieser, der Schwester von Altbürgermeister und Gletscherpionier Eugen Larcher. Die junge Tirolerin wanderte 1956 nach Kanada aus, wo sie heute noch mit ihrer Familie lebt. Die Erzählungen rund um dieses Ereignis sind im „Kaunertaler Zeitzeugen Archiv" durch Erinnerungen des Ehepaars Stadlwieser, das in Edmonton eine neue Heimat gefunden hat, dokumentiert.
MEHR ALS 7.000 KILOMETER LUFTLINIE – VOM KAUNERTAL NACH KANADA
Eine sehr persönliche Erinnerung, die zurückgeht auf das Jahr 1956, hat der bekannte Filmemacher Thomas Junker vor kurzem dokumentiert. Die Auswanderungsgeschichte erzählt von der damals 23-jährigen Zenzl Larcher und ihrem heutigen Ehemann Raimund Stadlwieser, die beide mittlerweile über 80 Jahre alt sind und im fernen Kanada ihr Glück gefunden haben. Viele Erinnerungen an den Abschied von Tirol und den Neuanfang in einem fremden Land werden dabei emotional festgehalten. Die junge Frau folgte 1956 der Einladung ihres damaligen Freundes Raimund. Er verließ bereits 1954 Tirol, um auf der Ranch seines Onkels im Kanada zu arbeiten. Mutig traf Zenzl die Entscheidung, das vertraute Tal zu verlassen. Ihr Bruder, Eugen Larcher, beschreibt in der filmischen Dokumentation, wie schwierig es für Mutter und Großmutter war, das zu akzeptieren und wie schmerzlich die junge Frau vermisst wurde. Auch Zenzl erinnert sich im Zeitzeugen Gespräch wehmütig: „Der Abschied war hart, ich habe das Kaunertal ja geliebt.“
DIE LIEBE ZUR HEIMAT BLIEB BIS HEUTE
Für die junge Kaunertalerin war es ein Aufbruch in ein großes Abenteuer. Mit dem Schiff reiste die 23-jährige rund drei Wochen bis sie bei ihrer Lebensliebe ankam. Die Überfahrt war stürmisch und Zenzl erinnert sich daran, dass fast alle Passagiere schwer seekrank wurden. Ihr hingegen machte die unruhige Reise nichts aus. Zehn Tage nach der Ankunft heirateten die beiden Tiroler und besiegelten damit ihren Entschluss in Kanada Fuß zu fassen. Arbeitsreiche Jahre mit landwirtschaftlichen Tätigkeiten, Berufen im Reinigungsdienst und im Baugewerbe folgten. Anfängliches Heimweh wich im Laufe der Zeit – bald wurde das erste Kind geboren und mit dem ersparten Geld im Dezember 1958 eine eigene Farm gekauft. Gesundheitlich erlitt die frischgebackene Mutter einen schweren Tiefschlag. Sie erkrankte an offener Tuberkulose und kämpfte über Monate bis zur vollständigen Genesung. Eine harte Zeit, in der Raimund Stadlwieser voller Sorge um seine Ehefrau war. Das Paar renovierte erst das Notwendigste und verkaufte dann den gesamten Viehbestand, um ein neues Haus zu bauen. Fortlaufend erwarben sie neues Farmland und vergrößerten auch den Viehbestand auf bis zu 100 Kühe und Kälber. Die Familie wuchs auf elf Kinder – acht Jungen und drei Mädchen an. Die Liebe zum Kaunertal blieb stark, aber bereits als das zweite Kind geboren wurde, war für Zenzl Stadlwieser klar, dass sie ihr neues Zuhause nicht mehr aufgeben wird. Eugen Larcher erzählt wie umständlich es bis in die 70er Jahre war Kontakt zu halten. Wenige Telefonate und alle fünf Jahre ein Besuch der Schwester in Tirol hielten die Familienbande jedoch stark. Die Erreichbarkeit wurde im Laufe der Jahre Dank Technik und Flugverbindung einfacher und so ist es gelungen den Austausch, gegenseitige Besuche und somit den Bezug zum Kaunertal und die damit verbundenen Erinnerungen lebendig zu erhalten.
GESCHICHTEN, DIE DAS LEBEN SCHREIBT – FORTSETZUNG FOLGT
Seit 2016 holt der bekannte deutsche Filmemacher Thomas Junker für das Projekt „Die Kaunertaler Zeitzeugen", das in Zusammenarbeit mit Charly Hafele und dem Kaunertal Tourismus realisiert wird, vor die Kamera. Was mit der Dokumentation „Ein Jahr im Kaunertal – Nacht und Heint“ begann, mündete in einem umfassenden, frei zugänglichen audiovisuellen Zeitzeugenarchiv www.kaunertaler-zeitzeugen.at und einer Reihe von kostbaren und authentischen Rückblicken auf das Leben und die Menschen, die im Kaunertal ihre Wurzeln haben. Die Zeitzeugen-Dokumentation wird fortlaufend um neue Lebensgeschichten erweitert. Thomas Junker hat bereits mehr als 200 Menschen interviewt, darunter auch Bundespräsident Alexander Van der Bellen und den Schauspieler Tobias Moretti sowie zahlreiche Bewohner der drei Gemeinden Kauns, Kaunerberg und Kaunertal.
Junker ist als Filmemacher und Fotograf für die deutschen Fernsehsender ARD und MDR weltweit auf Reisen, um Menschen und ihre Erzählungen für das Fernsehpublikum festzuhalten. Vor Jahren reiste er mit dem Kaunertaler Charly Hafele nach Kirgistan und während dieser Reise entstand die Idee für die „Kaunertaler Zeitzeugen-Dokumentation". Charly Hafele bemühte sich fortan, um Interviewpartner, weiters steht er als Produzent hinter den Filmgeschichten.
GENERATIONEN ERZÄHLEN – SCHNAPSBRENNEREI HOLDERLI
Geplant ist eine Weiterführung des spannenden Projektes bis 2022. Die Geschichten geben einen lebendigen Einblick in das Geschehen im Tal und die Menschen, die es prägt und hervorbringt. Vor Kurzem hat der Filmemacher die Familie Praxmarer von der Holderli Schnapsbrennerei vor die Kamera geholt, die bereits in der dritten Generation eine Schnapsdestille betreibt und allerlei Wissenswertes rund um den Kaunertaler Edelbrand zu erzählen hat. Das Audiovisuelle Zeitzeugenarchiv ist unter www.kaunertaler-zeitzeugen.atnachzusehen.